Massive Aufrüstung
Satellitendaten enthüllen: Europas Waffenfabriken wachsen dreimal schneller als zuvor
- Veröffentlicht: 12.08.2025
- 19:27 Uhr
- Max Strumberger
Russlands Krieg gegen die Ukraine zwingt Europa zu einer grundlegenden Neuausrichtung seiner Verteidigungsstrategie. Mit massiven Investitionen und einer beispiellosen Expansion der Rüstungsindustrie bereitet sich Europa darauf vor, die Verteidigungsfähigkeit erheblich zu stärken.
Das Wichtigste in Kürze
Die Bedrohung durch Russland hat Europa zum Handeln gezwungen.
Die EU-Staaten rüsten auf, um einem möglichen Angriff standzuhalten.
Diese strategische Wende zeigt sich nicht nur in politischen Absichtserklärungen, sondern auch in einem rasanten Ausbau der Rüstungsproduktion.
Angesichts der anhaltenden Aggression Russlands gegen die Ukraine und der Sorge, dass sich diese auf andere europäische Staaten ausweiten könnte, rüsten die EU-Staaten massiv auf. Während westliche Militärfachleute unterschiedliche Zeitrahmen für eine mögliche Eskalation nennen, gehen Schätzungen wie die von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius von 2029 aus. Ziel ist es, bis 2030 in der Lage zu sein, einen russischen Angriff effektiv abzuwehren. Diese strategische Neuausrichtung hat zu einem historischen Ausbau der europäischen Rüstungsindustrie geführt.
Europäische Waffenfabriken expandieren derzeit in einem Tempo, das dreimal so hoch ist wie in Friedenszeiten. Laut einer Analyse der "Financial Times" basierend auf einer Auswertung von Satellitenbildern wurden seit Russlands Invasion 2022 über sieben Millionen Quadratmeter neue Industrieflächen für die Rüstungsproduktion erschlossen. Dem zugrunde liegen Daten aus gut 1.000 Satellitenüberflügen des Sentinel-1-Systems der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Demnach zählte die "FT" 150 Standorte von insgesamt 37 Rüstungskonzernen. Diese Entwicklung wird durch öffentliche Subventionen wie das EU-Programm "Act in Support of Ammunition Production" (ASAP) vorangetrieben, das mit 500 Millionen Euro gezielt Engpässe in der Produktion von Munition und Raketen beheben soll.
Rheinmetall und andere Schlüsselprojekte
Ein Beispiel für den Ausbau ist das Werk von Rheinmetall in Ungarn, das 2024 eröffnet wurde und unter anderem Munition für den Leopard-2-Panzer produziert. Die Kapazität für 155-mm-Artilleriegeschosse soll bis 2027 auf 1,1 Millionen Stück jährlich steigen. Im Jahr 2022 waren es lediglich 70.000. Auch andere Unternehmen wie BAE Systems, MBDA und Kongsberg haben ihre Produktionskapazitäten erheblich erweitert, unterstützt durch nationale und EU-Förderprogramme. Diese Investitionen markieren einen grundlegenden Wandel hin zu einer langfristigen Kriegswirtschaft.
Trotz des Ausbaus bleibt die europäische Rüstungsindustrie mit Herausforderungen konfrontiert. Experten wie Fabian Hoffmann von der Universität von Oslo weisen darauf hin, dass die Produktion von Langstreckenraketen und Miniatur-Jet-Triebwerken ein kritischer Engpass bleibt. Diese Technologien sind entscheidend für eine glaubwürdige Abschreckung gegen Russlands Bodentruppen. "Raketen sind die Voraussetzung für die Siegestheorie der NATO. Denn wir werden mit dem Mobilisierungstempo Russlands nicht mithalten können“, sagte Hoffman der "Financial Times". Die EU erwägt daher, zukünftige Förderprogramme gezielt auf diese Bereiche auszurichten.
Munitionsproduktion soll deutlich steigen
Die bisherigen Erfolge des ASAP-Programms zeigen sich in der deutlichen Steigerung der Munitionsproduktion. Dennoch bleibt die tatsächliche Produktionskapazität hinter dem Potenzial zurück. Die EU plant daher ein neues Verteidigungsprogramm im Umfang von 1,5 Milliarden Euro, das die Logik von ASAP fortsetzen und weitere Schlüsselbereiche wie Drohnen und Luftabwehrsysteme fördern soll.
Die Aufrüstung Europas ist nicht nur eine Reaktion auf die Bedrohung durch Russland, sondern auch eine strategische Notwendigkeit für die NATO. Langfristig geht es darum, eine glaubwürdige Abschreckung aufzubauen und sicherzustellen, dass Europa in der Lage ist, seine Verteidigung eigenständig zu stärken, vor allem in Anbetracht der schwindenden Verlässlichkeit auf die USA unter Präsident Donald Trump.
- Verwendete Quellen:
- Nachrichtenagentur dpa