"Flood the zone"
Der Wahnsinn hat Methode: Die Trump-Regierung und das Spiel mit den Medien
- Veröffentlicht: 30.04.2025
- 16:35 Uhr
- Christopher Schmitt
100 Tage Donald Trump im Amt, Hunderte Nachrichten: Die Newsflut aus dem Weißen Haus lässt der Öffentlichkeit keine Luft zum Atmen. Wie der Wandel des Mediensystems dem US-Präsidenten entgegenkam - und die Kommunikationsstrategie der US-Regierung funktioniert.
Ob Drohungen in Richtung Grönland, Belehrungen des ukrainischen Präsidenten, Zollkrieg gegen den Rest der Welt oder "Visionen" von einer aus Ruinen auferstandenen Riviera in Gaza: Seit genau 100 Tagen ist Donald Trump wieder Präsident der Vereinigten Staaten, und gemeinsam mit anderen Vertreter:innen der US-Regierung liefert der Republikaner Schlagzeilen am Fließband. Medien und Öffentlichkeit werden von einer scheinbar wilden Newsflut überschwemmt - doch die ist kalkuliert.
Dabei sorgt die Kommunikation aus dem Weißen Haus auf der anderen Seite des Atlantiks teils immer noch für ungläubiges Stirnrunzeln. Trump drückt sich unkonventionell aus, oft simpel, manchmal poltert er vulgär. Das kommt bei seinen Anhänger:innen gut an. Die schrillen Statements aus dem Weißen Haus haben vielschichtige Gründe: einen fundamentalen Wandel des Mediensystems, Trumps ungewöhnlicher Karriere-Verlauf sowie eine von Rechtsradikalen erdachte Kommunikationsstrategie.
Eine andere Art Politiker: Let me entertain you
Donald Trumps Ansagen klingen zuweilen wie die eines Profi-Wrestlers: kurze Sätze, knappe Statements. Diese Auftritte habe er über Jahre in der amerikanischen Öffentlichkeit kultiviert, erklärt Dr. Curd Knüpfer, Experte für das US-amerikanische Mediensystem, im :newstime-Interview.
Im Wrestling gebe es Bösewichte und Lichtgestalten, so der Professor für politische Kommunikation der Süddänischen Universität Odense. Aus dieser Entertainment-Welt kommt auch Trump, der sich bereits ab 2004 in der TV-Serie "The Apprentice" als Businessman inszenierte.
Es sei entscheidend, dass Trump eben nicht nur einen anderen Kommunikationsstil pflege, sondern schlicht eine andere Art Politiker sei. "Das geht Hand in Hand", so Knüpfer. "In der Tat ist es so, dass viele Teile der Öffentlichkeit eben diesen ungefilterten Stil als erfrischend wahrnehmen." Deswegen würden viele den Republikaner als "Antipolitiker" sehen, obwohl der Millionär fest im Establishment verankert sei und sogar auf eine erste Amtszeit zurückblickt.
In der aktuellen Social-Media-Ära komme es mehr auf wahrgenommene als auf tatsächliche Authentizität an. Es sei natürlich, dass bestimmte Marotten und Kommunikationsweisen auf sozialen Medien besser ziehen würden. Ob Donald Trump wirklich so sei, wie er sich auf Social Media gibt, sei laut Knüpfer zu bezweifeln. Entscheidend ist das allerdings nicht. Seine Tweets machten Trump groß, mit Truth Social schuf er sich dann seine eigene Plattform - ohne für ihn lästige Kontrolle.
"Ich glaube, es ist wahnsinnig wichtig zu verstehen, dass es hier ein Mediensystem im Wandel gab, das einen bestimmten Politikstil begünstigt hat", unterstreicht Knüpfer: Trumps Politikstil und eine Kommunikation, die durch rote Herzchen und wütende Emojis passend symbolisiert seien. Knüpfer verweist auf eine fortschreitende Fragmentierung der Öffentlichkeit, die durch große Medienunternehmen begünstigt werde. Teils geschehe dies durch mangelnde Kontrolle, teils werde diese Entwicklung aktiv vorangetrieben.
Bereits seit Beginn seiner politischen Karriere profitiere der Präsident davon, dass das Mediensystem in den USA anders aufgestellt sei. Der Republikaner habe frühzeitig erkannt, dass gerade seine Basis mittlerweile anders Nachrichten und politische Inhalte konsumiere als die Basis der Demokraten. Die entstandenen kleineren Teilöffentlichkeiten bespielt die Trump-Regierung mit einem klaren Plan.
"Flood the zone": Trump setzt Bannons Vision um
Der vermeintliche Wahnsinn hat Methode. Und zwar eine Methode, die bereits auf Steve Bannon, Trumps inzwischen geschassten Berater aus seiner ersten Amtszeit, zurückgeht. Schon in einem Interview im Jahr 2018 formulierte Bannon das Mantra: "Flooding the zone with Shit". Gemeint war, Journalist:innen, die Opposition und die Öffentlichkeit mit "Mist zuzumüllen". Ohnehin seien die Medien "der wahre Gegner", weniger die Demokraten.
Diese sollen zwischen all den Politikvorschlägen und Drohungen gar nicht mehr wissen, wo ihnen der Kopf steht. Eine ernsthafte Auseinandersetzung in Form von Beobachter- und Kontrollfunktionen soll unmöglich gemacht werden. "Wenn sie sich an einer Sache festbeißen, erledigen wir schon die nächste", erklärte Bannon 2019 dem Fernsehsender PBS. Auch Trumps heutiges Kabinett ist hierauf eingeschworen.
Ideologe für den Plan, Medienprofi für die Kameras
Mittlerweile gilt ein anderer als Kopf hinter der Umsetzung der "Flood the zone"-Strategie: Stephen Miller, der stellvertretende Stabschef des Weißen Hauses, habe nach CNN-Informationen Jahre in das Ausarbeiten dieser kommunikativen Taktik investiert. Der konservative Hardliner war bereits in der ersten Amtszeit an Trumps Seite und gehört zum kleinen Kreis derer, die gemeinsam mit ihm ins Weiße Haus zurückkehrten. Laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) gilt er in Trumps Umfeld als absolut loyal sowie besonders einflussreich.
Dies bestätigt auch Curd Knüpfer, der das Trump-Kabinett in drei Kategorien einteilt: Über lange Jahre kultivierte Ideolog:innen, die aus den politischen Think-Tanks kommen, und sich über Jahre mit einer rechtsradikalen Agenda beschäftigt haben, Trump-Loyalist:innen sowie Persönlichkeiten, die in der Öffentlichkeit gut ankommen. Knüpfer verortet Stephen Miller in den ersten beiden Kategorien. "Was er nicht ist, ist eine dieser Medienpersönlichkeiten."
Als ebenso loyal, jedoch deutlich charismatischer gilt - dem Jobprofil entsprechend - die Pressesprecherin des Weißen Hauses. Mit 27 Jahren ist Karoline Leavitt auffällig jung für dieses Amt, tritt selbstbewusst und souverän auf. Nach Trumps Empfinden funktioniere Leavitt vor der Kamera und sage laut Knüpfer eben, "was ihm genehm ist". Dabei lüge sie Medienvertreter:innen auch manchmal "trump-esque" direkt ins Gesicht.
Zwischen Faszination und Konfrontation
Schon seit Beginn seiner politischen Karriere stellte der amtierende Präsident etablierte Medien infrage, erinnert Curd Knüpfer im Gespräch mit :newstime. Mit der "New York Times" führte Trump bereits als Geschäftsmann eine Fehde. Gleichzeitig gebe es "eine Faszination eben mit dieser Figur. Das heißt, die wird immer wieder amplifiziert von diesen Medien", führt der US-Experte aus. Selbst "ungefilterte Wutausbrüche" ohne "vernünftigen Satzbau" würden durch die Medien teils in etwas Kohärentes übersetzt. Zwar würden Trumps Aussagen dort kritisch unter die Lupe genommen, Aufmerksamkeit erfahre dieser dennoch – und habe davon stark profitiert.
Umgekehrt liefert Trump den Medien Stoff. Wie die "New York Times" herausgearbeitet hat, türmt sich die Newsflut seit der Inauguration noch bedrohlicher auf, als zu Trumps erster Amtszeit. Seit seinem ersten Tag nach der Rückkehr ins Weiße Haus legt Trump ein "halsbrecherisches Tempo" vor, wie es Ryan Walker, der stellvertretende Vorsitzende der konservativen Interessensgruppe Heritage Action for America, ausdrückt.
Neben der Wut auf die Demokraten und die vermeintliche "Lügen-Presse" sende Trump laut Knüpfer immer Signale an die eigenen Anhänger:innen: "Ihr gehört dazu, ich mache das für euch." Trump-Freund:innen seien auf diese Weise durch Hass-Gefühle und Unsicherheit, jedoch auch durch Identität und Zugehörigkeit verbunden.
US-Experte: "Wir sind als Nächstes dran"
Politische Gegner:innen können mit "Flood the zone" kaum Schritt halten. "Es gibt eine überwältigende Reizüberflutung", erklärte der demokratische Kongressabgeordnete Jamie Raskin gegenüber der "New York Times". In einem Moment telefoniere er noch mit einer Mitarbeiterin, die für die Regierung klinische Studien zu Krebsmedikamenten durchführe und von der Entlassung bedroht sei, im nächsten Moment mit Anwält:innen des Justizministeriums, die unfreiwillig versetzt werden sollen. "Das hört einfach nicht auf", klagt Raskin. "Wir erleben auf jeden Fall einen Unterschied zwischen Trump eins und Trump zwei", stellt auch Curd Knüpfer fest. Das liege nicht nur an Trumps Machtfülle, sondern auch am Scheitern demokratischer Institutionen beim Bekämpfen von Trumps politischer Agenda.
"Was wir jetzt erleben, ist der direkte Konfrontationskurs mit den anderen Gewalten. Und das ist erst mal die vierte Gewalt" - der Journalismus und seine Pflicht zur Wahrheitsfindung. Inzwischen sei Trump so mächtig, dass er effektiv gegen seine Feinde in den Redaktionen vorgehen könne - etwa, wenn er die Nachrichtenagentur AP entgegen richterlicher Beschlüsse aus dem Oval Office verbannt.
Einerseits handele es sich bei Trumps populistischem Social-Media-Erfolg um ein "amerikanisches Phänomen". Andererseits jedoch gebe es ähnliche Figuren weltweit. Vor allem Akteur:innen des rechten politischen Spektrums würden weltweit vom Medienwandel profitieren, der ihren Botschaften entgegenkommt. Der skeptische europäische Blick in Richtung USA könnte die Sicht auf vergleichbare Vorgänge hierzulande vernebeln. Auch hier beobachtet Knüpfer, dass eine Partei vom populistischen Stil mehr profitiert. "Wir sind als Nächstes dran", warnt der Experte für politische Kommunikation.
- Verwendete Quellen
- Deutschlandfunk: "'Flood the zone' – Warum Trumps Flut an Dekreten und Provokationen Methode hat"
- CNN: "This infamous Steve Bannon quote is key to understanding America’s crazy politics"
- Nachrichtenagentur dpa
- ZDF: "Trump überschüttet die Leute mit Müll"
- Spiegel Geschichte: "Gefährliche Verführer"